OLG Urteil zu Bahnlärm Trudering – eine Analyse

Die Kernaussage ist, dass der Pegel der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) zwar um rund 5dB überschritten wird, dies sei aber im konkreten Fall keine erhebliche Beeinträchtigung.

Der Kerngedanke der BImSchV wird durch das BGB bereits pervertiert: wenn man unter den in der BImSchV genannten Pegeln liegt, kann man davon ausgehen, dass keine erhebliche Beeinträchtigung vorliegt, umgekehrt wird ein Überschreiten nicht automatisch als erhebliche Beeinträchtigung gesehen. Aus einem Schutzgesetz wird damit ein Gesetz, was nur gegen die Lärmgeplagten gilt.

Warum ein Anwohner in einem Mischgebiet einen anderen Lärmpegel als erhebliche Beeinträchtigung empfinden soll als ein Anwohner in einem Wohngebiet ist wenig plausibel, steht aber so in der BImSchV.

Ähnliches gilt für Bestandsschutzregeln: Anwohner müssen eine Vervielfachung des Verkehrs hinnehmen unter dem Deckmantel des Bestandsschutz.

Insgesamt ist also die Rechtslage sehr bahnfreundlich.

Dass man im konkreten Fall mittlerweile – nach Wegfall des Bahnbonus – schon 10 dB über den für Neubau erlaubten Werten liegt, wird nicht erwähnt. Hinzu kommen weitere 5dB, weil es ein Mischgebiet ist, also liegt man 15dB über den in der BImSchV für Wohngebiete genannten Werte. Das Gericht hat dies nicht gewürdigt.

Das Urteil reiht sich somit ein, in eine Folge von bahnfreundlichen Urteilen. Das Urteil gibt keine Anhaltspunkte dafür, wann Bahnlärm unzulässig hoch ist. Ein Überschreiten der eigentlich dafür gedachten Grenzwerte wird quasi kommentarlos hingenommen, es sei halt eine wertende Betrachtung.

Bei dieser wertenden Betrachtung wurden weder die Gesundheit der Anwohner noch der Eingriff in deren Vermögen durch Entwertung bewertet. Stattdessen wird den Anwohnern Rechtschreib- und Nachlässigkeitsfehler vorgeworfen, was mit der Kernsache nichts zu tun hat.

Ferner werden Tatsachen relativiert durch die Aussage, dass die Bahnlinie unbeanstandet schon seit 80 Jahren betrieben wird. Bei einer Inbetriebnahme im Jahr 1939 ziemlich exakt zu Beginn des zweiten Weltkriegs hätten die Anwohner wohl eine Lärmklage wegen des Betriebs einer Bahnlinie einreichen sollen? Dies ist eine lächerliche Vorstellung angesichts des Kriegsgeschehens. Ebensowenig kann ihnen entgegengehalten werden, warum sie nicht in der Nachkriegszeit gegen Bahnlärm geklagt haben. Vielleicht möchte das Gericht dadurch aufzeigen, dass die Bahnlinie auf jeden Fall damals nicht zu beanstanden war und dass somit ab dann Bestandsschutz gilt. Dies wäre vollkommen abstrus wenn man dies weiterdenkt. Also was möchte das Gericht uns damit sagen?

Schließlich erwähnt das Gericht die Aussage des Gutachters, dass Menschen erst einen Unterschied von 3dB wahrnehmen. Da die Überschreitung 5dB ist, ist sie also wahrnehmbar. Inwiefern dies eine Abwägung stützt, dass die 5dB keine wesentliche Überschreitung darstellt, bleibt unklar. Immerhin entspricht 5dB mehr Lärm einer Verdreifachung des Güterverkehrs. Ist dies so unwesentlich?

Da Gerichte diese Wertung in einer nicht nachvollziehbaren Weise vollziehen können, bleibt ein schaler Beigeschmack. Warum das LG München in der ersten Instanz in der Hauptsache zu einem anderen Urteil kam bleibt unerklärt.

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