Die zweite Stammstrecke ist eine unterirdische S-Bahn-Verbindung welche in München parallel zur Stammstrecke verlaufen wird. Sie ist aktuell im Bau. Das Ziel ist eine Erhöhung der Kapazität, größere Ausfallsicherheit der Stammstrecke als Ganzes und eine schnellere Verbindung da weniger Haltestellen vorgesehen sind.
Nach aktuellen Planungen der Deutschen Bahn soll die 2. Stammstrecke im Jahr 2028 in Betrieb gehen. Durch die zweite Stammstrecke soll der S-Bahn-Takt von 20 Minuten auf 15 Minuten umgestellt werden.
Als Alternative wurde lange Zeit ein Ausbau des Südrings diskutiert. Die Entscheidung für die zweite Stammstrecke fiel mit der Finanzierungsvereinbarungen im Jahr 2010 und 2012 und der Genehmigung der 3 Teilstrecken durch das Eisenbahnbundesamt in den Jahren 2009, 2015 und 2016.
Da die Strecke unterirdisch verläuft gibt es außer an den Tunnelenden keine Lärmprobleme.
Am östlichen Tunnelende war die Lärmzunahme zwischen -1,4dB und +0,7dB, d.h. minimal.
Die Rechtslage (BImSchV §1) sieht jedoch vor, dass bei einem erheblichen baulichen Eingriff auch bei minimaler Erhöhung bei einem Ergebnis ab 60dB(A) nachts ein Anspruch auf Schallschutz besteht und zwar auf das zulässige Maß von 49dB(A). Dies ist eine formaljuristische Vorgehensweise. 0,7 dB sind ohne direkten Vergleich gar nicht wahrnehmbar. Umgekehrt müssen Stellen nicht bedacht werden, wo man nachts eigentlich lauter ist, aber es keine Zunahme durch die Ausbaumaßnahme gibt.
Beispiel:
Neumarkter Str. 2a 3.OG: Zunahme des nächtlichen Prognosepegels Lr von 59,2dB auf 59,3dB, Beurteilungspegel gerundet auf 60dB(A), Lärmschutz muss geplant werden
Gleiches Gebäude im 5.OG: Prognosepegel bleibt konstant auf 61.0dB, keine Zunahme bedeutet dass Lärmschutz nicht geplant werden muss, obwohl es dort lauter ist.
Im konkreten Fall schildert die Bahn dann: „Um .. eine Pegelminderung um 12dB(A) zu erreichen wären aktive Schallschutzmaßnahmen südlich der Fernbahn mit 10m Höhe auf einer Länge von 385m und 8m Höhe auf einer Länge von 165m … nowendig. Die kapitalisierten Baukosten für die Schallschutzmaßnahmen betragen ca 3,5 Mio. € und stehen bei 6 zu lösenden Schutzfällen außer Verhältnis zum Schutzzweck. Für die betroffenen Geschosse werden passive Schallschutzmaßnahmen dem Grunde nach vorgesehen.“
Somit wird im weiteren Verlauf der Berechnung für die Kosten-Nutzen-Analyse nur auf die Fälle abgestellt, in denen der Lärmschutz geplant werden muss. Dass dadurch auch der Lärm für anderen Anwohner wie z.B. den Bewohner im 5. OG sinken würde, wird außer Acht gelassen.
Diese gesetzlich scheinbar gestützte binäre Sichtweise entspricht nicht dem tatsächlichen Nutzen von Schallschutzmaßnahmen, sodass eine darauf basierende Kosten-Nutzen-Analyse nicht optimal ist.
Im Planungsabschnitt PFA1 wird dieselbe Methode angewendet. Hier waren es aber nicht nur 6 zu lösende Schutzfälle sondern 3554 Wohneinheiten. Neben Schallschutzwänden und der Maßnahme besonders überwachtes Gleis wurde auch hier aus Kostengründen in 1998 Fällen nur ein passiver Schallschutz mit Lärmschutzfenstern bezahlt.
Die Folgerung ist, dass ein aktiver Lärmschutz hier noch nicht einmal 12 dB(A) Dämpfung mit finanziell vertretbaren Mitteln erreicht. Nach heutigem Recht müsste man sogar 17dB(A) Dämpfung erreichen, was vollkommen unrealistische Schallschutzwandhöhen nötig machen würde.
Auch wenn die Situation an anderen Stellen einfacher ist (weniger breite Trasse, Bebauung weiter weg oder weniger hoch), so ist doch klar, dass manche Lärmprobleme mit Schallschutzwänden nicht lösbar sind. Der Rückzug auf passive Maßnahmen wie Lärmschutzfenster ist aber eine Kapitulation, da man dann weder die Freiflächen und Gärten schützt noch die Anwohner welche das Fenster offen lassen.
Konsequenterweise sollte man Trassenausbau in Ballungsräumen unterirdisch betreiben, auch wenn dies zuerst einmal mehr kostet.
Quelle:
Bahn & Land Bayern: https://www.2.stammstrecke-muenchen.de/
Genehmigung zweite Stammstrecke: https://www.2.stammstrecke-muenchen.de/strecke/planfeststellungsverfahren
SZ Geschichte der zweiten Stammstrecke: https://www.sueddeutsche.de/muenchen/zweite-stammstrecke-muenchen-chronologie-1.4437321
Darstellung der Bahn zu den aktiven und passiven Schallschutzlösungen: https://www.2.stammstrecke-muenchen.de/umwelt/laermschutz
Schalltechnische Untersuchung PFA 3neu: http://2-stammstrecke.die-bahn-baut.de/planfeststellungsunterlagen/3/283
Schalltechnische Untersuchung PFA 1: http://2-stammstrecke.die-bahn-baut.de/planfeststellungsunterlagen/1/97